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B-WaterSmart: Projekt zu smartem Wassermanagement erfolgreich beendet

14. Oktober 2024 um 12:05

Das europäische B-WaterSmart Projekt unter Leitung des IWW Institut für Wasserforschung ist beendet und das Konsortium blickt zurück auf 4 Jahre intensiver Arbeit, in denen zum Thema Wasserintelligenz in europäischen Küstenregionen und darüber hinaus geforscht wurde. 48 Monate voller Treffen, Tests, Erfolge und Misserfolge, in denen nicht nur in den sechs Living Labs (Demonstrationsstandorten) eine bedeutende Wirkung erzielt wurde, sondern in denen sich auch die Welt weitergedreht und verändert hat.

In den sechs Living Labs wurden durch aktive und nachhaltige Praxisgemeinschaften systemische Innovationen für eine intelligentere Wasserwirtschaft und -gesellschaft entwickelt und demonstriert. Mit speziellen Schulungsmaßnahmen wurden Entscheidungsträger:innen über wassersmarte Lösungen informiert und die Gesellschaft durch öffentliche Veranstaltungen sensibilisiert.

Ein breites Portfolio an kosteneffizienten Technologien und wasserintelligenten Datenlösungen wurde entwickelt, um die Wiederverwendung von Wasser und Abwasser zu erhöhen, die Rückgewinnung von Energie und Materialien zu fördern und ein intelligentes Management der Wasserinfrastruktur zu ermöglichen. Diese Lösungen sind auf dem „Water Europe Marketplace“, dem zentralen Wissensportal für wasserintelligente Lösungen von B-WaterSmart und anderen europäischen Projekten, einsehbar und erhältlich.

Für jedes Living Lab wurden außerdem neue oder verbesserte Richtlinien und Handlungsempfehlungen vorgeschlagen, um intelligente Wasserlösungen zu erreichen. Auch praktische Anleitungen zu gesellschaftlichen und verhaltensbezogenen Fragen im Zusammenhang mit ihrer Akzeptanz und Umsetzung wurden entwickelt.

Das Projekt brachte zudem einen Bewertungsrahmen hervor, der auf einer soliden Definition von Wasserintelligenz aufbaut und diese in die Praxis umsetzt. Ein Rahmen, der Entscheidungsträger:innen und Praktiker:innen bei der langfristigen strategischen Planung im Hinblick auf ihre Vision einer wassersmarten Gesellschaft unterstützt.

Nicht zuletzt wurden neue Geschäftsmöglichkeiten erkundet, indem alle im Rahmen von B-WaterSmart vorgestellten Lösungen systematisch auf ihr Nutzungspotenzial hin untersucht und Lösungsanbieter auf ihrem Weg zum Markt unterstützt wurden.

Mehr zu den Projektideen für eine wasser-smarte Gesellschaft finden Sie auf der B-WaterSmart Webseite.

ULTRA-F Projekt stellt Ergebnisse auf Berliner Energietagen vor

04. Juli 2024 um 09:44

Sichere Trinkwasserhygiene und Energieeinsparung – geht das gleichzeitig? Auf den Berliner Energietagen im Mai wurden umfangreiche Erkenntnisse aus Versuchen im Labor, im Technikum sowie in realen Wohngebäuden zur Wirksamkeit der Ultrafiltration hinsichtlich eines hygienisch sicheren Betriebs einer Trinkwasserinstallation bei abgesenkter Temperatur des Warmwassers vorgestellt. Zusätzlich wurden die Aspekte der Verminderung von CO2-Emissionen und der Wirtschaftlichkeit betrachtet.

Das interdisziplinär aufgestellte Forscher:innen-Team mit IWW-Beteilung sprach die Empfehlung aus, dass in einer zentralen Trinkwassererwärmung an keiner Stelle der Zirkulation eine Temperatur von 45 °C unterschritten werden dürfe. Dabei kann auch ohne Ultrafiltration ein hygienisch sicherer Betrieb bei einer Minimaltemperatur des Warmwassers in der Zirkulation von mind. 50 °C möglich sein. Wesentlichste Voraussetzung ist, dass der thermohydraulische Abgleich in der Trinkwasserinstallation gewährleistet ist und kontinuierlich überwacht wird. Außerdem muss das Vorkommen von Legionellen regelmäßig überprüft werden. Weiterhin wurden die Randbedingungen für den sicheren Betrieb von Ultrafiltrationsanlagen herausgearbeitet sowie Anpassungen des Regelwerkes empfohlen.

Zusammenfassung

Grundlagen, ausgewählte Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zum Einsatz von Ultrafiltrationsanlagen in der Trinkwasserinstallation aus dem Ultra-F Projekt (gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) gibt es hier  zum Download.

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Erkenntnisse aus ULTRA-F Download 665.48 KB

Forschungsprojekt GOW-Opti gestartet

22. April 2024 um 16:17

Gemeinsam mit dem TZW (DVGW-Technologiezentrum Wasser) beschäftigt sich das IWW mit der Weiterentwicklung von gesundheitlichen Regelungswerten im Trinkwasser und Optimierung des Transfers in die Praxis. Das Projekt läuft insgesamt 1 Jahr.

Die enorme Menge an chemischen Substanzen in Produktion und Anwendung sowie der Umwelt führt dazu, dass sich ein nicht unerheblicher Teil in nahezu allen Umweltkompartimenten nachweisen lässt. Internationale Institutionen wie die WHO, die ECHA und EFSA oder nationale Behörden wie das Umweltbundesamt (UBA) können bisher nur einen kleinen Anteil der in die Umwelt, in Gewässer, gelangten Stoffe auf Basis von chronischen Versuchsdaten toxikologisch bewerten. Daher werden angepasste Bewertungskonzepte gebraucht, mit denen bei unzureichender oder fehlender toxikologischer Datenlage eine robuste Aussage im Rahmen der Vorsorge getroffen werden kann.

Ziele und Methodik

Im Rahmen des Projekts wird das bewährte Konzept der gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) einer Prüfung unterzogen, ob und wie es in der Praxis der Gesundheitsbehörden ankommt und wie es umgesetzt wird und wie gegebenenfalls weitere Optimierungen angepackt werden könnten. Dabei wird die Sichtweise der Wasserversorger mit einbezogen, die von den Anordnungen und Maßnahmen der Behörden direkt betroffen sind. Es werden Potentiale zur Optimierung von Schwachpunkten zur Verfestigung von Stärken abgeleitet, was zu einem direkten Nutzen für die Wasserversorgung und die Überwachung führen kann. Dabei wird darauf Wert gelegt, den GOW mit den anderen relevanten Regelungswerten in Beziehung zu setzen. Zudem werden strategische Umsetzungshinweise für die Verbesserung der Anwendung in der Praxis gegeben. Daraus sollte sich ein wichtiger Input für weitere Vorgehensweisen beim UBA sowie den Beteiligten auf der operativen Ebene ergeben.

Marktverfügbarkeit von Flockungsmitteln

15. Februar 2024 um 12:54

Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hat die Marktverfügbarkeit von Flockungsmitteln und Aktivkohlen in den Jahren 2022 und 2023 temporär stark eingeschränkt. Zwei gemeinsam von IWW und TZW für den DVGW erstellte Studien gehen den Fragen nach, welche generellen Alternativen sich für Flockungs- und Flockungshilfsmittel anbieten (Projekt „LitFAlter“) und welche Trends sich bei der Produktion und dem Trinkwassereinsatz für Aktivkohlen abzeichnen (Projekt „AK-Krisenresilienz“). Mitglieder finden die Studien auf ihrer DVGW-Homepage (Projektname als Suchwort). Im Rahmen eines kostenlosen Online-Forschungsseminars wird der DVGW in den kommenden Monaten außerdem zu beiden Themen Vorträge anbieten.

Bereits in den Jahren zuvor hatte sich in Europa der generelle Markttrend abgezeichnet, dass fehlende hochwertige Rohstoffe für eisenhaltige Flockungsmittel es sehr schwierig für die Hersteller machen, die nach § 20 TrinkwV für Trinkwasser geforderte Qualität anbieten zu können. Daher hatte das Umweltbundesamt das IWW mit einem Sachverständigengutachten beauftragt. “Die Studie beinhaltet umfangreiche Informationen zu Bedarf und Verfügbarkeit eisenhaltiger Flockungsmittel, die auf Befragungen von deutschen und europäischen Wasserversorgungsunternehmen sowie Herstellern basieren. Die Marktsituation wurde analysiert, inklusive der Konsequenzen für Wasserversorgungsunternehmen und chemisch-technischer Möglichkeiten der Aufreinigung dieser Aufbereitungsstoffe sowie möglicher Produktalternativen.” Das Gutachten ist kostenlos hier erhältlich:

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/sachverstaendigengutachten-zur-ermittlung-der

Foto: IWW

Das R3VOLUTION Projekt revolutioniert das industrielle Wassermanagement

08. Februar 2024 um 10:58

Die Wassernutzung in der Industrie hat verschiedene Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und die Gesellschaft in Europa. Eines der Hauptprobleme in diesem Bereich ist die Wasserknappheit, da 40 % des entnommenen Wassers in Europa von der Industrie genutzt wird. Dies ist insbesondere ein Problem in Gebieten mit begrenzten Wasserressourcen, Verschmutzung der Wasserressourcen, allgemeiner Verschlechterung der Wasserqualität und erheblichem Energieverbrauch im Zusammenhang mit der Wassernutzung und -aufbereitung. Trotz dieser Tatsache und der zusätzlichen Auswirkungen des Klimawandels sind Lösungen und Initiativen zur Rückgewinnung von Industrieabwasser selten, vor allem weil der Preis für Wasser nicht seinen wahren Wert oder seine Verfügbarkeit widerspiegelt. Dies hält die Industrie oft davon ab, in dringend benötigte Technologien zur Wasserrückgewinnung zu investieren.

Das Projekt

Unter dem Titel “Ein revolutionärer Ansatz zur Maximierung der Wiederverwendung von Prozesswasser und der Rückgewinnung von Ressourcen durch eine intelligente, zirkuläre und integrierte Lösung” wird R3VOLUTION die industrielle Wasserwirtschaft in der EU revolutionieren. Um den Weg für einen nachhaltigen und effizienten Wasser- und Ressourcenverbrauch zu ebnen, entwickelt das Projekt Schlüsselinnovationen, die eine wirtschaftliche, ökologische und betriebliche Wasserrückgewinnung ermöglichen und die Herausforderungen der Lösungsmittel- und Energierückgewinnung angehen.

Im Laufe von vier Jahren demonstrieren die Projektpartner nachhaltige Lösungen für die Ressourcenrückgewinnung und entwickeln maßgeschneiderte membranbasierte Aufbereitungsanlagen, die mit Abwärme gekoppelt sind. Ein digitaler Prozessassistent ermöglicht eine optimale Konfiguration für verschiedene industrielle Umgebungen. Hierbei werden Risiken bei der Umsetzung minimiert und der Betrieb entscheidend unterstützt. Um das industrielle Wassermanagement zu revolutionieren, umfasst das R3VOLUTION-Projekt vier Demonstrationsstandorte im Pilotmaßstab, die die Anwendbarkeit und Reproduzierbarkeit von Lösungen in der petrochemischen Industrie, der biobasierten Chemie, der Stahlindustrie sowie der Zellstoff- und Papierindustrie zeigen. Das IWW Zentrum Wasser leitet die Öffentlichkeitsarbeit im Projekt und arbeitet an den technischen Lösungen mit.

Projektförderung

R3VOLUTION wird vom Projektpartner Cetaqua Water Technology Centre in Spanien koordiniert, der Anfang Februar das Kick-off-Meeting in Barcelona veranstaltete. Das Projekt umfasst 19 Partner aus 9 verschiedenen Ländern und wird von der Europäischen Union im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 101138245 finanziert.

Sauberes Trinkwasser – Erfahrungsaustausch zwischen Deutschland und Dänemark

20. November 2023 um 08:31

Die EU-Trinkwasserrichtlinie (2020) fordert nationales Handeln bis 2027, wobei alle Mitgliedstaaten den Grundwasser- und Oberflächenwasserschutz in Gebieten, aus denen Wasser für die
Trinkwasserbereitstellung gewonnen wird, verbessern müssen. In Deutschland gibt es mit den „Grundwasserschutzgebieten“ eine lange Tradition des Grundwasserschutzes. Diese entsprechen im Wesentlichen den dänischen „Grundwasserparks“, bei denen es sich um Gebiete mit Grundwasserneubildung handelt und in denen grundwassergefährdende Aktivitäten nicht stattfinden dürfen.

Deutsch-Dänisches Seminar bei Hamburg Wasser

Die Grundsätze der deutschen Grundwasserschutzgebiete waren Gegenstand eines deutsch-dänischen Seminars, das bei Hamburg Wasser als Gastgeber am 10. November 2023 stattfand. Ziel war es, Erfahrungen zwischen beiden Ländern zum Schutz von Trinkwasserschutzgebieten auszutauschen und eine Grundlage für den zukünftigen Wissensaustausch zu schaffen. Zu den Teilnehmenden gehörten etwa 30 Vertreter deutscher und dänischer Wasserversorger, Wasserbehörden und Organisationen der Wasserwirtschaft. Das Seminar wurde gemeinsam mit dem IWW Zentrum Wasser und dänischen Vertretern organisiert.

Es ist wichtig, dass wir Erfahrungen mit unseren Nachbarländern austauschen, um den Schutz unseres Trinkwassers stetig zu erhöhen, damit auch zukünftige Generationen sauberes Leitungswasser trinken können, das durch einfache Wasseraufbereitung erzeugt wird, vgl. die Vision der neuen Trinkwasserrichtlinie der EU.“, sagte der Vorsitzende der Birkerød Water Supply, Professor emer. bei DTU Environment Erik Arvin, der Mitorganisator des Seminars war.

Wasserressourcenschutz – Beitrag der Milchindustrie

16. November 2023 um 15:50

Regionale Wasserknappheit war in den letzten Jahren vielerorts auch in Deutschland zu verzeichnen, sodass einzelne Wasserversorger, aber auch lokale Industriebetriebe, für das Thema Wasserwiederverwendung verstärktes Interesse zeigen. Molkereibetriebe haben aufgrund der strengen hygienischen Anforderungen einen hohen Bedarf an Trinkwasser. Gleichzeitig fallen während der Verarbeitung durch Verdampfungs- und Filtrationsprozesse hochwertige Prozesswässer an, die bereits teilweise für interne Reinigungszwecke ohne Produktkontakt verwendet werden. Der Großteil des wässrigen Milchbestandteils (COW-Water) bleibt in den meisten Fällen jedoch ungenutzt.

Im Rahmen des EU-Projektes B-WaterSmart haben sich der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) und die Deutsche Milchkontor GmbH (DMK) gemeinsam mit dem Anlagenbauer EnviroChemie und dem IWW Zentrum Wasser das Ziel gesetzt, durch eine adäquate Aufbereitung von Brüdenkondensaten und Permeaten, die bei der Käseherstellung anfallen, ein Prozesswasser mit Trinkwasser-ähnlicher Qualität nach dem Multi-Barrieren-Prinzip herzustellen. Zunächst werden in einem aeroben biologischen Verfahren und einem nachgeschalteten Tiefenfilter organische Stoffe und Ammonium abgebaut. Anschließend werden mit Hilfe von Membranverfahren partikuläre und gelöste Stoffe entfernt. Des Weiteren wird geprüft, an welchen Stellen im Käsereiprozess das so hergestellte Wasser als Trinkwasserersatz unbedenklich wiederverwendet werden kann und welche Anforderungen für eine Genehmigung zu erfüllen sind. Milchindustrie

In 2019 war zur Verarbeitung von jährlich 1 Mio Tonnen Milch am Standort Edewecht eine Trinkwassermenge von jährlich ca. 1 Mio m³ notwendig. Bei der Wiederverwendung des aufbereiteten COW-Waters könnten zukünftig bis zu 60% des Trinkwasserbedarfs eingespart werden. Dies wäre ein weiterer Schritt zur Entlastung der Trinkwasserressourcen und für höhere Nachhaltigkeit in der Käseproduktion.

Weitere Informationen zu dem Projekt, welches von der Europäischen Union im Rahmen von Horizon 2020 (No. 869171) gefördert wird, sind unter https://b-watersmart.eu/living-lab/ostfriesland-in-deutschland/ zu finden.

IWW-Kolloquium “Umkehrosmose und Nanofiltration”

Ein IWW-Kolloquium am 30.11.2023 stellt das Konzept und die bisherigen Ergebnisse der Pilotierung mit Fokus auf die Membranprozesse vor. Das vollständige Programm des Kolloquiums finden Sie unter https://iww-online.de/veranstaltung/umkehrosmose-und-nanofiltration/

Bild: Giuseppe Parisi/Shutterstock.com

Illustration: OOWV

Antibiotikaresistenzen: Studie zeigt hohen Handlungsdruck

10. November 2023 um 13:25

AOK, IWW und Umweltbundesamt erforschen ökologische Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung

Zunehmende Antibiotikaresistenzen gefährden die Gesundheitsversorgung und führen weltweit zu einer hohen Zahl an vorzeitigen Todesfällen. Aus diesem Grund startete die AOK-Gemeinschaft im Jahr 2020 unter der Federführung der AOK Baden-Württemberg gemeinsam mit dem IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung und mit Unterstützung des Umweltbundesamtes eine Pilotstudie zur ökologischen Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung. Die weltweit erste Studie mit detaillierten Einblicken in die globale Antibiotikaproduktion wurde am Freitag (10.11.) in einer Pressekonferenz vorgestellt. „Unsere Erfahrungen zeigen einen dringenden Handlungsbedarf, der nicht länger in politischen Diskussionen ausgeklammert werden darf“, fasst Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, die Ergebnisse zusammen. „Die Arzneimittelversorgung kann nur dauerhaft stabilisiert werden, wenn sie in allen drei Dimensionen – ökonomisch, sozial und ökologisch – nachhaltig gestaltet wird.“

Als bundesweite Verhandlungsführerin für die Arzneimittelrabattverträge der AOK-Gemeinschaft implementierte die AOK Baden-Württemberg vor drei Jahren erstmals ein optionales Nachhaltig-keitskriterium in die Ausschreibung für Antibiotika, um Anreize für eine umweltgerechte Produktion von Antibiotika zu schaffen. So können pharmazeutische Unternehmen bei der Vergabe einen Bonus auf ihr Angebot erhalten, wenn sie sich freiwillig verpflichten, wirkungsbasierte Maximalkonzentrationen im Produktionsabwasser einzuhalten.

„Belastete Produktionsabwässer sind ein wichtiger Grund für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen, neben dem Risiko durch den massiven Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin“, stellt Dr. Malgorzata Debiak, Leiterin des Fachgebiets Arzneimittel am Umweltbundesamt, klar. Das Umweltbundesamt begleitet die Studie wissenschaftlich und hat die AOK bei der vertraglich vereinbarten Festlegung der Maximalkonzentrationen beraten. „Die Ausbreitung von multiresistenten Mikroorganismen in der Umwelt hat Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Wenn sich multiresistente Keime im und über belastete Produktionsabwässer ausbreiten können, ist die Wirksamkeit von Antibiotika stark gefährdet“, so Dr. Debiak. Das hätte massive gesundheitliche, gesellschaftliche und finanzielle Auswirkungen. „Wir müssen weltweit die Produktionsbedingungen im Blick haben, denn antibiotikaresistente Keime können sich in kurzer Zeit global ausbreiten und lassen sich nicht von Landesgrenzen aufhalten.“

Massive Schwellenwertüberschreitungen im Produktionsabwasser

Die Einhaltung wird durch die Entnahme und Analyse von Proben bei den Wirkstoffherstellern vor Ort durch Expertinnen und Experten des IWW vorgenommen. Im Auftrag der AOK-Gemeinschaft wurden bis heute an zehn Standorten in Indien und Europa Messungen durchgeführt und Wasserproben auf die im Abwasser enthaltenen Antibiotika-Konzentrationen geprüft. Zudem wurden Ge-wässerproben der durch die Produktionsstätten beeinflussten Umwelt auf Antibiotika untersucht.

„An 40 Prozent der untersuchten Produktionsstätten konnten wir zum Teil massive Überschreitungen der vertraglich zugesicherten maximalen Wirkstoffkonzentrationen im Produktionsabwasser oder in der angrenzenden Umwelt feststellen“, beschreibt Dr. Tim aus der Beek, Bereichsleiter Wasserressourcen-Management am IWW, die Messergebnisse. Die höchste Überschreitung innerhalb der Produktionsanlagen konnte beim Antibiotikum Ciprofloxacin festgestellt werden. „Bei Ciprofloxacin haben wir eine Abwasserkonzentration, die den vertraglich vereinbarten Schwellenwert um 11.000 Prozent überschreitet. Auch andere Schwellenwertüberschreitungen lagen in Größenordnungen von mehreren tausend Prozent“.

Besonders gravierend sei das Problem in der durch Produktionsanlagen beeinflussten Umwelt aufgetreten. „Wir fanden besorgniserregende Konzentrationen in der Umwelt, die schädliche Effekte im Ökosystem und vermehrte Resistenzbildungen erwarten lassen“, so Dr. aus der Beek. Die höchste Überschreitung wurde einem Gewässer in Indien entnommen. „Die gemessene Gewässerkonzentration des Antibiotikums Azithromycin übersteigt den ökotoxikologisch relevanten Schwellenwert um mindestens 1.600.000 Prozent. Dieses Ergebnis ist sehr besorgniserregend“, merkt der Wasserexperte an. Das Problem trete allerdings nicht nur in Indien auf, stellt Dr. aus der Beek klar: „Von den beprobten Gewässern entstammt die Umweltprobe mit den meisten gemessenen Antibiotikafunden einem europäischen Bach.“

Die Pilotstudie zeige gleichzeitig aber auch positive Effekte. „Durch unseren intensiven Dialog vor Ort und den direkten Zugang zu den Produktionsanlagen konnten wir bei den Wirkstoffherstellern das Wissen über die umweltkritischen sowie gesundheitsgefährdenden Auswirkungen der Produktion nachweislich erweitern“, betont Dr. aus der Beek. „Die Sensibilisierung bewirkt bereits lokale Verbesserungen im Umgang mit Antibiotika und den Produktionsabwässern. Wir konnten mit der Vergrößerung der Abwasseraufbereitung und der Optimierung der Lagerung bei einzelnen Produktionsstätten sogar nachhaltige Veränderungen durch die pharmazeutischen Unternehmen anstoßen“, hebt auch Bauernfeind hervor.Antibiotikaresistenzen

Politischer Handlungsbedarf

Insgesamt zeige die Pilotstudie laut Johannes Bauernfeind einen dringenden Handlungsbedarf: „Die Ergebnisse bestätigen eine enorme Belastung der Produktionsabwässer und umliegende Gewässer mit antibiotischen Wirkstoffen. Das Problem reicht dabei weit über die Möglichkeiten der Gestaltung von Arzneimittelrabattverträge hinaus und erfordert politische Maßnahmen auf europäischer Ebene.“ Die politischen Handlungsempfehlungen haben die AOK Baden-Württemberg, das IWW und das Umweltbundesamt in einem Policy Paper zusammengefasst. Nach Ansicht der Projektpartner benötigt es Änderungen im EU-Arzneimittelrecht, um das Problem der antimikrobiellen Resistenzen bei der Wurzel zu packen. „Notwendig sind verbindliche Umweltkriterien für die Zulassung und laufende Produktion ausgewählter Arzneimittel, insbesondere Antibiotika, sowie einheitliche Kontrollsysteme zu deren Einhaltung“, fordert Bauernfeind.

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Weitere Informationen auf der Website der AOK

Foto: AOK Baden-Württemberg: v.l.n.r.: Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg; Dr. Malgorzata Debiak, Leiterin des Fachgebiets Arzneimittel am Umweltbundesamt; Dr. Tim aus der Beek, Bereichsleiter Wasserressourcen-Management beim IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung,

 

Eine nachhaltige Arzneimittelversorgung für eine gesunde Gesellschaft: Ergebnisse der Pilotstudie zur nachhaltigen Versorgung mit Antibiotika werden vorgestellt

19. Oktober 2023 um 13:06

Der medizinische Fortschritt und die Arzneimittelentwicklung sind eine der größten Errungenschaften des letzten Jahrhunderts. Antimikrobielle Resistenzen gefährden allerdings die wirksame Vorbeugung und medizinische Behandlung einer stetig wachsenden Anzahl von Infektionen und führen weltweit zu einer hohen Zahl an vorzeitigen Todesfällen. Als schärfstes Schwert im Kampf gegen Infektionskrankheiten verlieren Antibiotika durch die Entstehung von Resistenzen zunehmend ihre Wirksamkeit. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die ungehinderte Einleitung von belasteten Produktionsabwässern in die unmittelbare Umwelt, von der sich Resistenzen weltweit ausbreiten und eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen.

Als erste Krankenkasse in Deutschland hat die AOK-Gemeinschaft unter der Federführung der AOK Baden-Württemberg gemeinsam mit dem IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung sowie mit Unterstützung des Umweltbundesamtes eine Pilotstudie zur ökologischen Nachhaltigkeit in der Antibiotikaversorgung gestartet. Ziel ist es, Anreize für die umweltgerechte Produktion von Antibiotika durch ein finanzielles Bonuskriterium im Rahmen der Vergabe von Rabattverträgen zu schaffen, um der Entstehung antimikrobieller Resistenzen sowie Folgeerkrankungen entgegenzuwirken. Dabei stimmen die pharmazeutischen Unternehmen der Einhaltung einer wirkungsbasierten Maximalkonzentration im Produktionsabwasser zu und erlauben eine Überprüfung durch unabhängige Expertinnen und Experten vor Ort. Die dabei gemachten Erfahrungen zeigen einen dringenden Handlungsbedarf, der nicht länger in politischen Diskussionen ausgeklammert werden darf.

Pressekonferenz

Am 10. November findet um 10 Uhr eine Pressekonferenz statt, auf der die Ergebnisse der Studie vorgestellt werden. Die ersten Ergebnisse der gemeinsamen Pilotstudie werden vorgestellt von Dr. Tim aus der Beek, Bereichsleiter Wasserressourcen-Management beim IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung, Dr. Malgorzata Debiak, Leiterin des Fachgebiets Arzneimittel am Umweltbundesamt und Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg.

Die hybride Pressekonferenz können Sie im Livestream unter www.pressekonferenz.tv verfolgen.

 

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